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In eigener Sache: Beratung zu sexualisierter Gewalt - oder warum Gutes manchmal herausfordernd ist

Hintergrund dieser Stellungnahme ist zum einen die Abmoderation bei WestPol (Link zur Sendung vom 21.5.23 am Ende diesen Beitrags), in der eine unzulässige Kürzung den Eindruck hat entstehen lassen, Zartbitter würde in komplexen Fällen keine Unterstützung anbieten. Die Redaktion entschuldigt sich dafür.

Richtig ist:
Alle von sexualisierter Gewalt betroffenen Menschen ab 14 Jahren, unabhängig in welchem Kontext die sexualisierte Gewalt stattgefunden hat, können zu uns kommen!

Zum anderen ist die Versorgungssituation schwierig und hat sich unter anderem durch die Schließung der Beratungsstelle des Bistums Münster für Betroffene von Ritualisierter und Organisierter Gewalt weiter verschärft.

Enttabuisierung und Fachlichkeit

Die Beratungsstelle Zartbitter gibt es in Münster seit 36 Jahren. Ende der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts war das Thema sexualisierte Gewalt gesellschaftlich extrem tabuisiert und in der Fachwelt ein Nischenthema.

Missbrauch in Familien? Das konnte und durfte es nicht geben. Missbrauch in Organisationen? Auch das ein Thema, was verschwiegen werden musste. Organisierte sexualisierte Gewalt? Ein Thema was bis heute erschreckt, polarisiert und Betroffene schwer traumatisiert und isoliert zurücklässt.

Wir haben gemeinsam mit vielen Anderen dazu beigetragen, dass es eine deutliche Enttabuisierung der verschiedenen Facetten der sexualisierten Gewalt gegeben hat, dass viele Akteur*innen Kinder, Jugendliche und Familien ermutigen, einen Umgang damit und mit den Folgen zu finden. Wegschauen ist schwieriger geworden, auch wenn einige Facetten des Themas immer wieder dazu genutzt werden, um Betroffene sowie Fachberatungstellen in Frage zu stellen.

Fachberatungen für Menschen, die mit Kindern und Jugendlichen im Kontakt sind, Fortbildungen und Wissensvermittlung für Erwachsene sind fachlicher Standard geworden. Die Dringlichkeit zu frühzeitiger Hilfe und das Wissen darüber, was Kinder und Jugendliche dafür brauchen, haben zu gesetzlichen Neuregelungen geführt.

Qualifizierte Beratung

Dies alles hat dazu geführt, dass sich mehr Menschen mit oft sehr komplexen Fragestellungen an uns wenden.

Unsere Beratungsstelle hat es sich zum Ziel gesetzt, für alle unmittelbar Betroffenen mit allen Anliegen da zu sein, egal, ob dieses klein erscheint oder als komplexe Traumatisierung benannt wird. Aber auch für alle Angehörigen, Bezugspersonen, Begleitenden und Fragenden bemühen wir uns darum, fachlich fundierte, sachliche und handlungstaugliche Unterstützungen zu geben.

Dies braucht Zeit. Fast nie ist es mit einem einzigen Gespräch „getan“.

Je früher die sexualisierte Gewalt begonnen hat, je länger sie angedauert hat, je mehr Menschen daran beteiligt waren, desto komplexer sind die Folgen, mit denen die Ratsuchenden zu kämpfen haben und für die Helfer*innen Ideen und Unterstützung benötigen.

Haltung und Wissen trainieren

Genauso wichtig ist uns, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene gut informiert sind über Rechte und Möglichkeiten und dass sie eine Haltung entwickeln, die gegenseitige Unterstützung möglich macht. Nur so können wir die erreichte Öffnung für die Not von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen halten und Hilfen noch weiter verbessern.

Selbstreflexion

Damit dies alles gut gelingen kann braucht es aber noch mehr: fachliche Standards haben sich entwickelt, unsere Konzepte sollen es auch. Deshalb investieren wir zeitgleich auch in die Überprüfung und Weiterentwicklung unserer eigenen Haltung, unserer Angebotsstruktur und der Qualität unserer Arbeit.

Druck und Grenzen aushalten

Wir hoffen, auf diese Weise den notwendigen professionellen fachlichen Stand zu haben, den die Menschen, die zu uns kommen, benötigen. Was wir alle jedoch gemeinsam haben ist, dass auch wir immer wieder mit Begrenzung konfrontiert sind (wir schaffen nicht alles, was notwendig wäre) und dass sexualisierte Gewalt immer druckvoll, dringend und mit Not verbunden ist.

So haben wir eine viel zu lange Wartezeit (4 – 6 Monate), können nicht alle Angebote zugleich aufrechterhalten (Gruppenangebote und Beratung zum Fonds) und stoßen immer wieder an die Grenzen von möglichen Ressourcen (personell, räumlich und finanziell).

Wir sind damit nicht allein. Den Ratsuchenden geben wir manchmal mit auf den Weg, ihre Gedanken und Gefühle mit anderen zu teilen, weil Gemeinschaft helfen kann.

Als Fachberatungsstelle sind wir genauso mit der Dynamik des Themas konfrontiert. Deshalb und um möglichst transparent zu sein, teilen wir diese Informationen.

 

Link zur WestPol-Sendung vom 21.5.23

 

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